Westerwald-Verein, Zweigverein Köln e.V.


Der 122. Deutsche Wandertag fand 2024 in Heilbad Heiligenstadt statt. Das Motto „Sagenhaft Grenzenlos“ war trefflich gewählt wie sich herausstellen sollte. Bei den Wanderungen in der Zeit vom 15. bis 23. September 2024 nahmen aus unserem Verein 21 Personen teil und 5 Personen aus befreundeten Vereinen im Großraum Hamburg. Die Anreise erfolgte mit Bahn und Bus. Das Gepäck wurde mit PKWs transportiert. Unsere Unterkunft war wieder das Hotel Martina in Bad Sooden-Allendorf.

Gewandert wurde in der Region Eichsfeld, eine liebliche und bergige Landschaft in Thüringen, Niedersachsen und Hessen. Sie liegt zentral in Deutschland. Der Mittelpunkt Deutschlands (Methode: Minimaler Abstand zur Staatsgrenze) wurde am Warteberg (516 m) südlich von Heiligenstadt festgestellt. Der Austragungsort Heilbad Heiligenstadt liegt im Herzen des Eichsfelds.

Am Montag, den 16. September fuhren wir mit dem Bus bis Vatterode und machten eine Wanderung im Grenzland (Thüringen /Hessen), teilweise auf dem „Grünen Band“ (ehemalige Grenze), zum Grenzmuseum Schifflersgrund.


Es war sehr bedrückend was dort zum Thema Deutsch-Deutsche-Grenze betrachtet werden konnte: Überwachungsgeräte, Dokumente der Volkspolizei z. B. Ordnungsstrafverfügung für minimalste Vergehen, allerlei Verbotsschilder, militärische Fahrzeuge und vieles mehr. Durch die Innerdeutsche Grenze mit Zäunen, Sperranlagen, Todesstreifen, einem breiten Kontrollweg, Beobachtungstürmen, Grenzsoldaten wurden auch Familien getrennt, soziale Bande und Landschaften zerschnitten.

Heute können wir eine Grenzwanderung auf dem „Grünen Band“, ehemaliger Kolonnenweg, machen. Zahlreiche Initiativen schufen nach der Grenzöffnung das größte Naturschutzgebiet Europas.

Am Dienstag führte uns ein örtlicher Wanderführer zum Hohen Meißner. Wir stapften durch dichten Buchen- und Eichenwald. Dabei kamen wir überraschend an Bergwerksstollen vorbei. Vor der Grube St. Johannes blieben wir stehen. Der Eingang war versperrt. Hier wurde bis 1929 ausschließlich unter Tage Braunkohle abgebaut. Durch die eigene Geologie sind auch Moore und Teiche zu finden.

Der kleine Frau-Holle-Teich in 620 m Höhe auf der Ostseite des Hohen Meißners ist der Sage nach unendlich tief und zugleich der Eingang in Frau Holles unterirdisches Reich. Auf seinem Grund soll ihr silbernes Schloss stehen. Sonntagskinder können hier Frau Holles Glöckchen vernehmen. Münzfunde lassen darauf schließen, dass der Teich bereits vor 2000 Jahren eine Kultstätte war. Der Teich ist beliebter Laichplatz für verschiedene Kröten, Frösche und Molche. Am Teich wurde eine 3,15 m hohe Holzskulptur aus einem Ulmenstamm gestaltet aufgestellt.
An diesem „sagenhaften“ (siehe Motto) Ort machten wir eine kleine Rast. Bis die Wanderung in Frankershausen endete, tauchten wir in eine etwas wilde Natur ein. Der Weg war ziemlich zugewachsen. Die Strecke abwärts bewältigten wir im Gänsemarsch über dicke Steine und morsche Äste überwuchert von Bodendeckerpflanzen. Da war unsere ganze Aufmerksamkeit gefordert.

Mittwoch, den 18. September wurde eine Wanderung von Hitzelrode auf dem Grenzweg entlang bis Meinhard nach Eschwege unternommen. Unterwegs gab es schöne Aussichten in die liebliche Landschaft.
In Eschwege trafen wir uns zu einer Stadtführung vor der Information in der Altstadt. Die Führerin trug ein langes Kleid mit Schürze und eine Haube wie es im Mittelalter üblich war. Sie erklärte besonders stattliche Fachwerkhäuser, die teilweise eine geschnitzte Figur an der Ecke des Hauses aufwiesen. Es handelte sich meist um Basilisken also Mischwesen bunt bemalt und abschreckendem Blick.

Eschwege war eine reiche Handelsstadt. Das Marktgeschehen fand auf dem großen Markt und dem Obermarkt statt. Wir hatten Glück, denn es war Markttag und wir konnten sehen was die Bauern vom Land an frischem Obst und Gemüse in die Stadt brachten. Am Ende des Marktes steht die im gotischen Stil erbaute Marktkirche St. Dionys. Davor wächst eine Linde mit riesiger Baumkrone. Auf der anderen Seite steht die Statue der Theophanu. Sie war die Frau von Kaiser Otto II (955983). Er hinterließ ihr in einer Urkunde den Königshof und die Siedlung Eschwege als Erbe. In der Kirche hörten wir einige Orgelklänge, da gerade eine Übungsstunde abgehalten wurde. Die Führerin zeigte uns die Gruft, die im 17. Jh. unter dem Chor gebaut wurde. In ihr sind der Landgraf Friedrich von Hessen–Eschwege und seine Familie in Bleisärgen beigesetzt worden (1655). Es gab keine direkten Nachkommen.

Weiter spazierten wir die Kirchgasse entlang bis wir zum Sophiengarten kamen. Wenn man hier eingetreten ist, hat man sofort das Gefühl, dass man sich in einer Oase der Ruhe befindet. Der Garten hat eine lange Geschichte. Die Tochter von Theophanu und Otto II. Sophia gründete um 1000 ein Frauenstift auf dem Cyriakusberg und ließ einen Garten anlegen, wo Kräuter und Heilpflanzen gediehen. Im Mittelalter standen dort Gebäude, die im Dreißigjährigen Krieg zerstört und nicht wieder aufgebaut wurden. So entstand eine Baulücke. Später wurde der Garten neu angelegt und um einen bürgerlichen Teil erweitert.


Eine weitere Besonderheit ist der Turm des ehemaligen Landgrafenschlosses. Dort befindet sich der Dietemann, die Symbolfigur der Eschweger. Zur jeder vollen Stunde ist er als Turmwächter zu sehen, wenn er seine Wachstube verlässt und dabei in sein Horn bläst.

Am Donnerstag, den 19. 09. fanden alle Aktivitäten in Heiligenstadt statt. Mit einer kleinen Wanderung von Alte Burg pirschten wir uns an die Stadt heran. Um 14 Uhr begann die Stadtführung.

Der Stadtführer zeigte uns interessante Gebäude und hatte viel zu erzählen. Wie kam die Stadt zu ihrem Namen? Der Name Heiligenstadt wird bereits um 960 als „Heilige Stätte“ im Zusammenhang mit dem St. Martinsstift erwähnt. Die frühen Christen bewahrten dort Reliquien der Heiligen Sergius und Bacchus auf. Später folgten dann Reliquien der Heiligen Aureus und Justinus. Der Name der „Heiligen Stätte“ wurde zu Heiligenstadt und auf die angrenzende Siedlung übertragen. Um Verwechslungen auszuschließen, bemühte man sich in neuerer Zeit um den Zusatz Heilbad. Um dieses Prädikat zu erhalten wurde eine warme Thermalsohle in 533,85 m Tiefe erschlossen. Das Wasser hat einen Salzgehalt von 26 % und sprudelt am Martinsbrunnen hoch.
Heiligenstadt blickt auf eine lange Historie zurück. Schon in der Steinzeit gab es eine Besiedlung. Kaiser Otto II. hatte einen unehelichen Sohn, der mit Fürsprache zum Bischof ernannt wurde. Aus Dankbarkeit schenkte Otto II. 973 dem Erzbischof von Mainz Heiligenstadt. Erst mit der Säkularisation 1803 endete die Landesherrschaft der Mainzer Erzbischöfe.
Der Stadtführer berichtete uns, dass es oft zu Überschwemmungen in der Stadt kam, wenn die Geislede zu viel Wasser führte. Um das zu verhindern regulierte man diese. Dabei entstand ein Wasserfall im Kurpark. Auf einer kleinen Holzbrücke hat man einen schönen Blick auf den Wasserfall. Am Ufer befindet sich die Regentrude, eine Figur aus Storms gleichnamigen Märchen. Nicht weit entfernt steht das Völkerschlachtsdenkmal.

In der Innenstadt zeigte er uns den Barockgarten, das alte Rathaus und die St. Marienkirche. Unbedingt zu nennen sind berühmte Persönlichkeiten wie Theodor Storm (Kreisrichter von 1856 – 1864) und Heinrich Heine. Beide werden gewürdigt. Es gibt ein Literaturmuseum Theodor Storm und den Heinrich-Heine-Park.
Heiligenstadt wird auch die Stadt der Möhrenkönige genannt. Einer steht als stattliche Figur auf dem Balkon des Rathauses. Die Sage geht so: Einmal stürmte ein feindliches Heer auf die Stadt zu. Der Wächter verschloss die Tore. Bei einem Tor fehlte der Riegel. Er nahm ersatzweise eine Möhre. Das Tor hielt dem Ansturm stand. So weit so gut. Dann kam aber eine hungrige Ziege und fraß die Möhre. Die Feinde brachen bei dem erneuten Angriff das Tor auf und eroberten die Stadt. So bekamen die Heiligstädter ihren Spitznamen „Heiligstädter Möhrenkönige“.
Anschließend bummelten wir durch die Tourismusbörse im Kurpark, die um 14 Uhr eröffnet wurde.

Um 19 Uhr fand unter freiem Himmel auf dem Festplatz am Vitalpark die Eröffnung des 122. Deutschen Wandertages statt. Eine Besonderheit ist, dass der Veranstalter 1. SC 1911 Heiligenstadt zunächst kein Wanderverein sondern nur ein Sportklub war. Eine Wanderabteilung wurde kurzerhand gegründet. Diese und die gesamte Region Eichsfeld richteten den Wandertag aus.

Grußworte wurden gesprochen vom Bürgermeister der Stadt und dem Präsidenten des 1. SC 1911, vom Schirmherrn und Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen Bodo Ramelow, von Christine Lieberknecht Präsidentin des Thüringer Wanderverbands sowie Dr. Hans-Ulrich Rauchfuß Präsident des DWV. Musikalisch wurde die Veranstaltung von dem Chor „Future Voices“ begleitet, der einen spektakulären Auftritt zeigte. Während des Programms wurde die Wimpelgruppe aus dem Remstal (Fellbach) empfangen, die die gesamte Strecke abschnittsweise zu Fuß erwanderte. Dann übergaben Mitglieder aus Bad Wildungen ihre Chronik des Deutschen Wandertages 2021. Schließlich fand die Verleihung der Zertifikate Qualitätswege Wanderbares Deutschland an ausgewählte TOP-Wanderwege statt.
Weitere Infos sind zu finden: https://www.mdr.de/video/mrd-videos/c/video-859712.html

Freitag, den 20. September fuhren wir mit Bahn und Bus Richtung Norden nach Niedersachsen. Wir stiegen in Westerode aus und wanderten nach Duderstadt in die malerische Altstadt zum alten Rathaus. Die Baugeschichte begann 1302 als Kaufhaus. Dort war der Treffpunkt für die Stadtführung. Duderstadt hat über 600 Fachwerkhäuser. Es besteht ein Masterplan für Stadtentwicklung mit dem Namen „Duderstadt 2030“.

Besonders erwähnenswert ist das Tabalugahaus, ein prächtig renoviertes, fast 400 Jahre altes Fachwerkhaus, das behinderten oder traumatisierten Kindern Therapiemöglichkeiten eröffnet. Ermöglicht wird dies durch großzügige finanzielle Zuwendungen von Peter Maffei und Hans Georg Näder, Geschäftsführer der Ottobock-Firmengruppe. Diese ist weltweit führend in der Orthopädietechnik und stellt auch künstliche Gliedmaße her, z.B. elektronisch gesteuerte künstliche Hände.

Im Osten der Marktstraße steht die St. Cyriakus-Kirche und am anderen Ende im Westen die St. Servatius-Kirche. Durch schmale gepflasterte Gassen und an niedrigen Fachwerkhäusern vorbei erreichen wir das Wahrzeichen der Stadt den Westerturm mit seiner schraubenartig verdrehten Spitze. Er gehört mit Warten, Wall und Mauer zum ausgeklügelten mittelalterlichen Befestigungssystem.

Duderstadts erster Siedlungsnachweis lag im sumpfigen Gebiet. Die 2. und 3. Siedlungsstufe erfolgte auf höherem und trocknerem Gelände. Da sich Handelswege in Ost-West-Richtung und Nord-Süd kreuzten entwickelte sich die Stadt. Die Händler mussten ihre Waren im Rathaus anbieten und Zoll zahlen. Die Einnahmen führten zu Wohlstand.

Am Samstag, den 21. September machten wir eine kleine Wanderung, ca. 6 km, von Geisleden zur „Schönen Aussicht“ mit einem herrlichen Panoramablick auf die Stadt Heilbad Heiligenstadt.

Anschließend besuchten wir die Wandertagsveranstaltung mit einem abwechslungsreichen Programm auf der Bühne im Kurpark. Die Sängerin animierte die Zuschauer und sorgte für Stimmung, Die Jazz-Streetband „Improvisante“ aus der Schweiz spielte auf den Parkwegen.

Um 17 Uhr fand die Auszeichnung des Wanderwettbewerbs durch den Deutschen Wanderverband statt. Es wurden Urkunden und Geldpreise verliehen. Wir gewannen den 1. Preis im Wanderwettbewerb in der Kategorie: „Wandern für alle“. Das ist eine große Ehre. Jede und jeder von uns erhielt noch ein besonderes „Wanderwettbewerbsabzeichen“. Später als geplant traten wir die Rückfahrt ins Hotel an.

Sonntag, den 22. September fuhren wir vormittags zur Feierstunde des 122. Deutschen Wandertages in das Eichsfelder Kulturhaus Heiligenstadt. Mitwirkende waren u.a. Bodo Ramelow als Schirmherr des 122. Deutschen Wandertages und Ministerpräsident des Freistaates Thüringen, das Thüringer Polizeiorchester und Ralf-Uwe Beck der Bundesvorstandssprecher von „Mehr Demokratie e.V.“. Der Fachwart Kultur vom DWV nahm die Verleihung des Jahreskulturpreises vor. Ausgezeichnet wurden ein Sagenweg mit geschnitzten Holzfiguren, der Katharinenweg zum Thema Grenze und ein Sagenweg für Kinder und Familien.

Nach der Feierstunde hatten wir freie Zeit und konnten uns im Kurpark mit Eichsfelder Bratwurst stärken. Um 14 Uhr startete der Festumzug. Wir liefen vorne im Zug durch das Spalier von vielen winkenden Zuschauern am Wegesrand und hatten dabei viel Vergnügen. Mit unserem weißen Poloshirt und dem roten Halstuch und den rot-weißen Schirmen waren wir gut sichtbar. Ein kleiner Junge am Straßenrand meinte verwundert: „Es regnet doch gar nicht.“

Die Abschlussfeier nach dem Umzug fand wieder im Kurpark statt. Auf der Bühne verfolgten wir die traditionelle Wimpelbaumübergabe. Dr. Rauchfuß bat die Trägerin des Wimpelbaums (Wimpelschwert) aus dem Remstal auf die Bühne und nahm ihn in Empfang. Dann bat er den Bürgermeister von Heiligenstadt dazu und überreichte den Wimpelbaum an ihn. Der Bürgermeister wurde gebeten gut aufzupassen und so lange zu verwahren bis ein nächster Austragungsort gefunden worden ist.

Am Schluss waren wir alle mit der Veranstaltung sehr zufrieden. Schließlich konnten wir ja auch einen Wimpel vom 122. Deutschen Wandertag an unseren Wimpelbaum hängen und eine Preisurkunde mit nach Köln nehmen.

Am Montag, den 23.September machten wir uns nach dem Frühstück auf den Heimweg.

Text und Fotos: Jutta Schützler und Ludwig Kreitner